Änderungen in der Erwerbstätigkeit im Zuge des landwirtschaftlichen Strukturwandels der 50er/60er Jahre am Beispiel von Malkwitz
von Katrin Dürwald
Anfang der 50er Jahre wird noch auf neun Höfen in Malkwitz
Landwirtschaft im Vollerwerb betrieben. Zwei dieser Höfe werden durch einen
Verwalter geführt. Zwei weitere Höfe betreiben die Landwirtschaft im
Nebenerwerb. Im Einwohnerbuch von Malkwitz von 1956 geben aber 21 Männer als
Beruf „Landwirt“ an. Bei 14 von ihnen handelt es sich um Heimatvertriebene, die
Landwirte waren, nun aber zwangsläufig als Landarbeiter oder als Handwerker tätig
sind. Den damit einhergehenden beruflichen Abstieg ertragen viele von ihnen nur
schwer.
Die Bevölkerung von Malkwitz ist durch den Zuzug Heimatvertriebener
von 273 (1939) auf 430 (1950) um knapp 36% gewachsen (im Landesdurchschnitt liegt
der Zuwachs bei 31%, im Bundesdurchschnitt bei 16,8%). Die Arbeitsplätze im
Dorf und in der Umgebung sind aber nicht zahlreicher geworden. Einige
Heimatvertriebene leben jahrelang über „Zwangseinquartierung“ in abgetrennten
Zimmern einheimischer Bauern. Manche leben unter unwürdigen Bedingungen in
Verschlägen, Stallungen und Behelfsheimen.
Ab 1950 erlaubt Kanada die Einreise von deutschen
Einwanderern. Bereits heimatlos geworden
besteht keine enge Bindung an
Malkwitz, die Beschäftigungsaussichten vor Ort reichen nicht aus. Zum
Jahreswechsel 1951/52 wandern drei Flüchtlings-Familien mit 30 Personen nach
Kanada aus.[1] In den
50er Jahren zieht es junge Frauen vor allem nach Schweden. Sie erhalten die
Möglichkeit, dort im Haushalt zu arbeiten. Manch eine heiratet dort einen
Schweden und kehrt nicht mehr zurück. Eine weitere Möglichkeit, das Dorf zu
verlassen, bietet sich durch die Annahme von Jobangeboten aus dem Rheinland.
Viele junge Menschen bleiben dort, doch einige kehren auch im Boom der 60er
Jahre zurück.
In Malkwitz gibt es zahlreiche kleine Gewerbebetriebe: die
Bäckerei Boldt, die Tischlerei Hüttmann, die Gärtnerei Franck, den Maler
Schwerinski, drei Schuhmacher (Fahrenkrog, Prehn, Wehde), die Stellmacherei Haß
und drei Kaufmannsläden (Flanse, Korth, Marquardt-Neuhaus). Sie sind aber keine
großen Arbeitgeber. Arbeitskräfte kommen vor allem in der Landwirtschaft und in
der Malkwitzer Ziegelei unter. Die industrielle Ziegelherstellung boomt nach
dem Krieg. Zeitweise werden etwa 70 Mitarbeiter in der Malkwitzer Ziegelei
beschäftigt. Die Schmiede von Struck muss ihre Ausrichtung nach dem Krieg
radikal ändern: als „kriegswichtiger Betrieb“ hatte sie im Krieg mithilfe von
französischen Zwangsarbeitern Luftwaffengeräte hergestellt. Ihre
Mitarbeiterzahl sinkt in den Folgejahren von 16 auf 5.[2]
Ein wichtiger Arbeitgeber ist das Baugeschäft von Fritz und Gustav Hamann. Das
Geschäft hatte bereits in den 30er Jahren vom sozialen Wohnungsbau der Nazis
profitiert. Mit Beginn des sozialen Wohnungsbaus im Rahmen des Lastenausgleichs
prosperiert das Geschäft erneut und beschäftigt zahlreiche Maurer, Zimmerleute
und Dachdecker.
1961 hat Malkwitz 430 Einwohner, von denen 342 erwerbstätig
sind. 27% arbeiten in der Landwirtschaft oder sind beim Forst tätig. 161
arbeiten im produzierenden Gewerbe (50%). Das ist prozentual der höchste Anteil
in der Gemeinde, der im Schnitt bei 35% liegt. Verantwortlich dafür ist hohe
Zahl der Beschäftigten in der Ziegelei. 10% arbeiten im Handel und Verkehr, 13%
erbringen sonstige Dienstleistungen.[3]
Die beiden größten landwirtschaftlichen Betriebe, der Krähenberg und der
Ingenhof, gehen weg von der personalintensiven Milchwirtschaft und stellen auf
Schweinemast um. Viele ehemalige Melker und Landarbeiter verlieren ihre Arbeit.
Der Milchviehbestand in Ostholstein sinkt innerhalb von zehn Jahren um 9,3%.
Die Zahl der Schweine erreicht im gleichen Zeitraum eine Zuwachsrate von 23,6%.[4]

Durch den Mauerbau versiegt der breite Zustrom
überdurchschnittlich qualifizierter Arbeitskräfte aus der DDR, und die
weitgehende Abschöpfung des Arbeitskräftepotentials veranlasst
Industriebetriebe, in ländliche Regionen auszuweichen. Auf dem Lande setzt der
Strukturwandel in der Landwirtschaft parallel dazu eine große Zahl von Arbeitskräften
frei.[6]
Malkwitz wird besonders von der Pleite des Ziegeleibetriebs Mitte der 60er
Jahre getroffen. Das Dorf verliert seine Bedeutung als Arbeitgeber. Die Dorfbewohner
motorisieren sich zunehmend, um Arbeitsstellen außerhalb anzutreten. In Malente
bieten Schuh Hagner (bis 1967), Kuhnke, die Miederfabrik Dakapo (H. Zimmermann),
der Tourismus und die sich entwickelnden Kurbetriebe attraktive alternative Arbeitsplätze.
Von dieser Entwicklung profitieren jetzt erstmalig auch
Frauen. Waren sie vorher hauptsächlich Hausfrauen oder im Haushalt beschäftigt,
so bietet sich jetzt die Möglichkeit, versicherungspflichtig und in Vollzeit
arbeiten zu gehen. Die Vollbeschäftigung sorgt dafür, dass auch ungelernte
Arbeitskräfte gern genommen werden. Frauen werden von ihren Männern zur Arbeit
gebracht und abgeholt, und manche Frau macht in den 60er Jahren ihren Führerschein.
Dennoch bleiben Frauen mit schulpflichtigen Kindern mehrheitlich zu Hause. Arbeitende
Mütter werden im Dorf weitläufig als „Rabenmütter“ betitelt, und manch ein Mann
gibt gegenüber seinem Nachbarn an: „Min Fru mutt ni arbeiten, dat het se gor ni
nödig“.
In den 70er Jahren gibt es nur noch fünf Höfe, auf denen im
Vollerwerb Landwirtschaft betrieben wird, was einem Rückgang um 44% entspricht.
Die Einzelhandelsläden auf dem Dorf schließen im Zuge aufkommender Selbstbedienungsläden
in Malente und Eutin. Mit dem Auspendeln aus dem Dorf ändert sich auch das Einkaufsverhalten
der Bewohner. Gewerbe, das auf dörfliche Nachfrage angewiesen ist, stirbt. Das
ist eine Entwicklung, die zahlreiche Dörfer durchmachen. Man beginnt von „Schlafdörfern“
zu sprechen.
Heute arbeiten in der Gemeinde Malente die meisten Menschen (10,9%)
in medizinischen Gesundheitsberufen. Der zweitstärkste Bereich ist der Einzelhandel
mit 8,5%. Selbständig sind 7,7%, und 7,4% arbeiten im Tourismus. 5,1% arbeiten
in der Lebensmittelherstellung und -verarbeitung, 4,5% in Recht und Verwaltung,
ebenso viele im Bereich Verkehr und Logistik. 4,4% sind in der Erziehung tätig.
Die Landwirtschaft spielt beruflich keine Rolle mehr.[7]
Die landwirtschaftlichen Betriebe des Dorfes, die die
Strukturkrise erfolgreich gemeistert haben, haben in den 80er und 90er Jahren ihre
ehemaligen Schweineställe in Komfort-Ferienwohnungen umgebaut. Viehhaltung dient
nur noch dazu, den Urlaubern das Gefühl eines lebendigen Bauernhofs zu
vermitteln. Viele landwirtschaftliche Flächen sind an die verbliebenen Vollerwerbsbauern
verpachtet. Heute gibt es noch drei landwirtschaftlich geprägte Höfe im Dorf,
deren Überlebensstrategien sich sehr voneinander unterscheiden. Mit der Flächensubventionierung
der EU bleibt aber der Satz „Hektar besteiht“ gültig.
[1] Eutiner
Kreis-Anzeiger vom 17.11.1951.
[3] Der
Kreis Eutin I/II. Statistik des Kreises und seiner Gemeinden. Februar 1969.
Erfassung zum Stichtag 06.06.1961.
[4]
Ostholsteiner Anzeiger vom 12.02.1972.
[5] Anzeigen
im Ostholsteiner Anzeiger vom 03.06.1966, 08.07.1966.
[6] Karsten
Runge, Entwicklungstendenzen der Landschaftsplanung. Vom frühen Naturschutz bis
zur ökologisch nachhaltigen Flächennutzung, Berlin 1998, S. 91.
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