Malente im Jahr 1922
Malente im Jahre 1922
Chronologie
Jan Dr. med. K. Möhlmann kauft im Januar 1922 das Hausgrundstück des früheren Privatlehrers Friedrich an der Janusallee 12. Er eröffnet dort im April eine Hausarztpraxis als praktischer Arzt, Wundarzt und Geburtshelfer. Möhlmann war zuvor Oberstabsarzt im Marine-Genesungsheim Holsteinische Schweiz und davor Assistent der Universitäts-Frauenklinik in Berlin gewesen.
Sparkassenrendant a.D. Cappus
verkauft sein Hausgrundstück nebst etwa 2 Tonnen Land an der Schweizerstraße an
den Kaufmann Nielandt. Nielandt verpachtet sein Kaufmannsgeschäft an der
Rosenstraße auf 10 Jahre an den Kaufmann Hugo Mindrup, der es einige Monate
später käuflich übernimmt.
Zwischen dem ersten und zweiten
Bahnwärterhaus stürzt am Sonnabend (14.01.1922) mittags die 8jährige Tochter
des Friseurs Wulff aus Malente, Marianne, aus dem Zug, als sie nach beendeter
Schule nach Hause zurückkehren will. Die Verunglückte verstirbt infolge eines
Schädelbruchs im hiesigen Krankenhaus, ohne das Bewusstsein wiedererlangt zu
haben.
Feb Kaufmann Zimmermann, Bäckermeister
Wulf und Lehrer O. Struck werden neu in den Gemeinderat gewählt. Dieser
beschließt eine kurzfristige Anleihe von 100.000 Mk.
Eine Reihe von Straßen wird nach
den Vorschlägen des Lehrers O. Struck neubenannt bzw. umgetauft: Die neue
Straße von der Lindenallee zum Wasserturm „Sahlkamp“, der Verbindungsweg
zwischen Paulstraße und Sahlkamp „Grünau“, der Steig zwischen Lindenallee und
Janusallee „Gartensteig“, die bisherige Friedrich-Karl-Straße auf dem Gremskamp
in „J.-H. Voß-Straße“, die hufeisenförmige Straße daselbst „Ringstraße“, die
die Ringstraße durchschneidende Querstraße „Gremskamperstraße“, die zur
früheren Zementfabrik führende Straße „Fabrikweg“, in Gremsmühlen die
Verbindungsstraße zwischen Diekseepromenade und Kreuzfelder Chaussee
„Bleeckenallee“.
Der Kirchenrat lässt die alten
Linden vor dem Pastorenwitwenhaus fällen, um eine Verbreiterung und Begradigung
der Rosenstraße zu ermöglichen, die seit langem für notwendig erachtet wird. Die
Gemeinde bewilligt der Kirche für die Einfriedung des Pastoren-Witwenhaus eine
Beihilfe bis zu 5.000 Mk.
Unter Führung
der Finanz- und Handels-AG Hamburg wird am 07.02.1922 die Kurhaus-Gremsmühlen
AG mit einem Aktienkapital von 2 ½ Mill. Mk. gegründet. Es handelt sich um das
ehemalige Sanatorium und die Badeanstalt des Sanitätsrats Dr. Horst. Zum
Vorstand ist der Hoteldirektor Karl Arras ernannt worden.
Infolge eines Kurzschlusses
bricht am Montag, 06.02.1922, auf der Hufenstelle der Witwe Hutzfeld in
Timmdorf Feuer aus, das sich sehr schnell über das ganze Gehöft verbreitet.
Während es gelingt, das Mobiliar zum größten Teil zu retten, verbrennen 9 Stück
Jungvieh und 1 Pferd in den Flammen. Das Haus ist niedrig versichert, und die
Witwe Hutzfeld hat noch für 7 kleine Kinder zu sorgen. Die Timmdorfer
Zwangswehr kann nicht eingreifen, weil sie nur eine gebrauchsunfähige Spritze
besitzt. Die Malenter und Bösdorfer freiwillige Feuerwehr werden telefonisch
herbeigerufen und nehmen an der Brandbekämpfung teil. Alles Wasser gefriert sofort
zu Eis. Nach Einstellung der Löscharbeiten müssen die Schläuche erst wieder
aufgetaut werden, weil sie vollständig vereist sind. Kurze Zeit später bietet A.
Hutzfeldt die in der Nähe von Malente gelegene Holzkoppel, Größe 6,18 ha
Ackerland, 0,28 ha Wiese, 0,41 ha Moor (geeignet zur Torfgewinnung), zum
Verkauf an. Ein paar Wochen nach dem Unglück schickt Hofbesitzer Wittrock in
Todendorf bei Lütjenburg, bei dem der verstorbene Hutzfeldt während des Krieges
Wachtmann gewesen war, der Abgebrannten einen Wagen mit 27 Zentnern Korn.
Das frühere Schweizerhaus der
Holsteinischen Schweiz, jetzt Marine-Genesungsheim, gerät am 14.02.1922, abends
gegen 8 Uhr in Brand und ist abends um 11 Uhr fast völlig niedergebrannt. Das
Gebäude ist unbewohnt und sollte einer gründlichen Reparatur unterzogen werden.
Mrz Dem Vorschlag der Kurkommission
entsprechend, wird vom geplanten Bau der Waldhalle abgesehen und die dafür zur
Verfügung stehenden 100.000 Mk. aus dem Ostseebäderfonds werden stattdessen zum
Ankauf der Badeanstalt im Dieksee verwendet. Diese soll 125.000 Mk. kosten. In
dem Preis ist der vorgesehene, auf 60.000 bis 70.000 Mk. veranschlagte
Erneuerungs- und Erweiterungsbau angenommen. Der Ankauf wird in erster Lesung
mit 8 Stimmen angenommen. Es wird beabsichtigt, die Badeanstalt nach und nach
weiter auszubauen, so u.a. durch Schaffung von Luft- und Sonnenbädern,
Erfrischungsraum und Verbesserung des Strandes. Beschlossen wird im Juli,
sofort den künstlichen Strand am Diekseegehege bis zur Badeanstalt zu
verlängern. Zu dem Zweck soll eine Anleihe aufgenommen werden.
Der „Oldenburgische
Abwehr-Ausschuss“ spricht sich im März 1922 gegen einen Anschluss an Preußen
oder Lübeck aus. In einer öffentlichen Versammlung tritt am 16.06.1922 in
Krohns Gasthof in Malente Ministerpräsident Tantzen aus Oldenburg in Oldenburg
auf, um über die Anschlussfrage zu sprechen.
Hotelbesitzer Wida verkauft das
Hotel „Seelust“ in Malente an einen Berliner namens Storch.
Die Holzpreise steigen von einer
Holzauktion zur andern. Sie betragen mindestens das Doppelte gegen die erste
Versteigerung. Für Kluftholz werden 320 – 360 Mk, für Knüppelholz 325
Mk/Raummeter, für Buschholzhaufen durchweg 510 Mk. bezahlt. Die teuersten
Haufen kommen auf 600-620 Mk.
Am Palmsonntag werden in der
Kirchengemeinde Malente 68 Kinder eingesegnet. Davon besuchen 38 Kinder die
Malente Schule, 16 Kinder die Eutiner Schulen, der Rest die Schulen der
Umgegend.
Die Witwe Halmschlag veräußert
ihr Hausgrundstück an der Paulstraße an den Lehrer Hennigs hierselbst.
Hauptmann Baumer verkauft seinen Landbesitz an der Lütjenburger Straße in Größe
von etwa 11 Tonnen (die frühere Möditzsche Schweinemästerei) an den Gast- und
Landwirt Maaßen in Hassendorf. Für die Neuherrichtung der Badeanstalt und den
Strand wird eine Anleihe von 75.000 Mk., für das Wasserwerk eine solche von
15.000 Mk. beschlossen.
Jun Die Reitervereine Ostholsteins gründen
einen Verband, zu dessen Vorsitzenden Osmers-Vierth gewählt wird. Malente soll
Hauptort des Verbands sein. Es ist geplant, alljährlich ein Verbandsringreiten
und Rennen abzuhalten. 12 Vereine haben sich dem Verband angeschlossen. Die
erste Veranstaltung des Verbands wird Mitte September auf der Rodensander
Rennbahn stattfinden.
Jul Das Notgeld der Gemeinde Malente
verliert am 23.07. seine Gültigkeit und muss bis dahin bei der
Gemeindesparkasse eingelöst sein.
Zwei Mitglieder des Hamburger
Gesangvereins kentern bei einer Segelfahrt auf dem Dieksee. Einer der Beiden,
ein Sattler und Tapezierer aus Hamburg-Lokstedt, Vater von 5 Kindern, ertrinkt
bei dem Unglück. Einen Monat fordert der Dieksee erneut ein Opfer: am 04.09.
ertrinkt beim Segeln der unverheiratete Werkhelfer Beyer aus Altona, Insasse
des Eisenbahner-Erholungsheims „Ramdohrs Ruh“.
Grete Wrage-von Pustau bietet
Unterricht in rhythmisch-gymnastischem Tanz im Malenter Haus Bucheneck an.
Aug Das Café Dieksee-Terrassen eröffnet am 05.08.1922 und empfiehlt sich als erstklassige Konditorei.
Dem Gärtnereibesitzer Bruno Koch
in der Lindenallee werden am 16.08. (Sonnabend) in vorangerückter Abendstunde
aus seinem Hause zwei Herrenanzüge, ein Damenkleid und eine goldene Uhrkette
gestohlen.
Sep Der Gemeinderat stimmt am 04.09. der
Einführung einer Viehsteuer auch in der zweiten Lesung zu mit der Abänderung,
dass sämtliches Jungvieh nur mit 50 Mk. pro Kopf versteuert wird.
Die
Einweihungsfeier für die Heldengedenktafel die Gefallenen des Ersten
Weltkriegsfindet am 10.09. im Gottesdienst statt.
In der außerordentlichen Sitzung
des Gemeinderats vom 18.10. wird der Verkauf der drei Notstandshäuser an der
Lütjenburger Straße in erster Lesung beschlossen. Es liegen zahlreiche
Kaufangebote von Gemeindebürgern vor, auch fünf von den augenblicklichen
Mietern. Es wird beschlossen, fünf halbe Häuser an die jetzigen Bewohner für
ein ganzes Haus zu verkaufen. Zur Behebung der Wohnungsnot und zur Verbilligung
der Haushaltsführung sucht die Gemeinde das Zusammenleben alleinstehender
Männer und Frauen zu fördern. Die Gemeinde sichert allen Inhabern von
Wohnungen, die auf solche Weise eine Wohnung freimachen, eine hohe Erstattung
zu.
Gemeindemitglied Fick stellt den
Antrag zu prüfen, ob nicht jetzt der Zeitpunkt gekommen sei,
Malente-Gremsmühlen zur Stadt zu erheben. Die Frage habe sich bereits vor 18
Jahren erstmals gestellt. Damals hatte man von der Durchführung des Projekts
aufgrund der Steuerfrage abgesehen. Doch in den vergangenen Jahren sei es
offensichtlich geworden, dass man die Verwaltung des Orts vereinfachen müsse:
das Nebeneinander von Gemeinderat, Ortsausschuss und Dorfschaftsversammlung,
von Gemeindevorsteher, Ortsvorsteher und Bauervogt führe zu Kompetenzstreitigkeiten.
Es führe zu einem unübersichtlichen Kassenwesen, einer Zwitterstellung der
Gemeindebeamten, die namentlich bei Gehaltsfragen zu Schwierigkeiten führe, und
zu Unklarheit bei Verwaltungs- und Steuerfragen. Das neue Wahlrecht
(Verhältniswahl) habe dazu geführt, dass nicht alle Orte der Gemeinde einen
Vertreter in den Gemeinderat entsenden können. Die unvertretenen Dörfer seien
darüber enttäuscht und verbittert. Aber wie groß muss der Bezirk sein, um zur
Stadt zu werden? – Zumeist wird dazu der Bereich der Ortsgenossenschaft
vorgeschlagen, wenn möglich vergrößert durch Hinzunahme der ganzen Dorfschaft
Rotensande und Einverleibung der Landstellen Vierth und Havkamp, die
unmittelbar an der Grenze liegen. Dann würden vier weit voneinander liegende
Dörfer (Kreuzfeld, Timmdorf, Krummsee und Sielbeck) für die neu zu bildende
Landgemeinde Malente übrig bleiben, oder diese Orte müssten Anschluss bei
Nachbargemeinden suchen. Die neue Gemeinde wäre eine der kleinsten im
Landesteil Lübeck. Neue Zwergverwaltungsbezirke zu schaffen dürfte aber nicht
empfehlenswert sein. Hinzu kommt, dass in drei Dörfern der Fremdenverkehr eine
wesentliche Rolle spielt, während der vierte Ort rein landwirtschaftlichen
Charakter trägt. Timmdorf, Krummsee und Sielbeck ähneln in ihrem Wesen mehr und
mehr der neu zu bildenden Garten- und Villenstadt Malente. Aus diesen und
anderen Gründen hat man den Vorschlag gemacht, die ganze heutige Gemeinde
Malente zur Stadt zu erheben. Dieses Projekt bietet viele Vorzüge: 1. Die
Einheitlichkeit in der Verwaltung der von Kurverkehr und Landwirtschaft
geprägten Gemeinde bliebe gewahrt, 2. Die Bildung einer kaum lebensfähigen
Zwerggemeinde würde unterbleiben, 3. Die Kurangelegenheiten der ganzen
Holsteinischen Schweiz (in weiteren Glanz) könnten einheitlich geregelt werden
(Kurtaxe), 4. Die große Malenter Schule, sowie das Versorgungsheim könnten auch
fernerhin der ganzen Gemeinde offenstehen, 5. Ein Auseinanderreißen von Orten,
die seit Menschengedenken eine Einheit bilden, 6 Eine finanzielle Auseinandersetzung
mit ihren Schwierigkeiten und Härten bliebe uns erspart, 7. Die augenblickliche
große Notlage weiter Bevölkerungsschichten im Kurort Malente-Gremsmühlen sowie
das wahrscheinliche Zurückgehen des Kurverkehrs lassen die Verbindung der Kurorte
mit der Landwirtschaft dringen erwünscht erscheinen. Eine Schwierigkeit der
Stadtwerdung der Landgemeinde Malente wird die Verwaltung des Gaswerks sein,
das heute dem Kurort Malente-Gremsmühlen gehört.
Die geplante Ausgabe von Notgeld
soll unterbleiben. Sämtliche Gebühren, die vom Gemeindebüro erhoben werden,
erfahren eine zeitgemäße Erhöhung. Erhöht wird auch die Hundesteuer. Sie
beträgt vom 01.10. an für den ersten Hund 200 Mk., für den zweiten 500 Mk. und
für jeden weiteren 2000 Mk. im Jahre. In der Frage der Verteilung der
Verwaltungskosten zwischen Gemeinde und Ortsgenossenschaft bleibt es bei der
bisherigen Regelung. Es wird beschlossen, bei der Sparkasse der Gemeinde
Malente 500.000 Mk. anzuleihen zum Ankauf von Kohlen für die Schulen
Schloss
„Hellahöh“ in Gremsmühlen, das zuletzt „Sachsenhöh“ hieß, wird im April von dem
bisherigen Besitzer, Hauptmann a.D. Wünsche in Warnemünde, an den Kaufmann
Berthold in Altona verkauft. Dieser verkauft es im November des gleichen Jahres
weiter, und zwar an den Hamburger Großkaufmann Zumbach.
Nov Am 14.11. wird das den „Rumer See“
umfassende 3 ½ Hektar große fiskalische „Lütte Moor“ auf 8 Jahre meistbietend
verpachtet. Die Fläche ist zuletzt in vier Teile, die durchschnittlich 1 ½
Tonnen groß sind, aufgeteilt. Pächter sind Arbeiter Sternberg, Händler D.
Erich, Fuhrmann W. Siems und Privatmann Nielandt.
Um dem Mangel an Betriebskapital
auf unserm Gaswerk abzuhelfen, hat das Werk bei der Gemeindesparkasse einen
Kredit von 1 Mio. genommen. Die Besprechung über die Beerdigungsschwierigkeiten
führt zu einem Gesuch an den Landesvorstand, Holz für Särge für die
minderbemittelte Bevölkerung schlagen zu lassen. Dieser Notstand soll baldigst
in einer öffentlichen Versammlung erörtert werden. Fast einstimmig wird die
Gründung einer Notgemeinschaft beschlossen, die bei jedem Sterbefall so viel
Beiträge aufbringt, wie eine schlichte Beerdigung erfordert. Festsetzung des
Beitrages und seine Hebung sollen möglichst einfach gestaltet sein. Es wird erwartet,
dass alle im Erwerbsleben stehende Personen der Genossenschaft beitreten.
Todesfälle
Claus Steffen (81), +06.01.1922
Johanna Duggen, geb. Boller (57), +13.04.1922
Elise Wittern geb. Behrens (65), +12.05.1922
Gustav Fischer (22), +06.07.1922
Marie Ott geb. Klüver (68), +06.08.1922
Wilhelmine Blunck geb. Nagel (23), +21.11.1922
Walburg von Levetzow geb. von Kalckreuth, +08.12.1922
Teuerung
Änderungsdatum |
Gaspreis |
Kokspreis
(Hektoliter) |
Strompreis |
Wasserpreis |
Std-Lohn
Gaswerkheizer |
Vor 01.12.2021 |
2 Mk. |
20 Mk. |
4,50 Mk. |
1,50 Mk. |
7 Mk. |
Ab 01.12.2021 |
3,60 Mk. |
36 Mk. |
7 Mk. |
3 Mk. |
8 Mk. |
Ab 01.04.2022 |
|
|
|
|
10 Mk. |
Ab 15.07.1922 |
10 Mk. |
100 Mk. |
Lichtstrom 22
Mk. |
5 Mk. |
22 Mk. |
Ab 01.10.1922 |
15 Mk. |
150 Mk. |
Lichtstrom 20
Mk. |
|
|
Ab 01.12.1922 |
90 Mk. |
1500 Mk. |
Lichtstrom
170 Mk. |
40 Mk. |
|
Kommentare
Kommentar veröffentlichen